Georg Philipp Telemann (1681-1767)
Orpheus
oder Die wunderbare Beständigkeit der Liebe
Oper in drei Akten TWV 21:18 (Hamburg 1726)
Libretto: anonym – basierend auf Orphée von Michel du Boulay
Dorothee Mields, Orasia ∙ Markus Volpert, Orpheus
Ulrike Hofbauer, Eurydice ∙ Christian Zenker, Eurimedes
Barbara Kraus, Ismene ∙ Reinhard Mayr, Pluto
Marelize Gerber, Cephisa / Priesterin ∙
Julie Comparini, Ascalax / 2. Nymphe
L’Orfeo Barockorchester
Michi Gaigg, Dirigentin
(deutsche harmonia mundi / Sony Music 2011 ∙ 2 CDs)
Beständige Liebe
[…] Bereits 1994 hat René Jacobs dieses Werk in Berlin aufgeführt und anschließend bei Harmonia mundi France aufgenomnen.
Im Vergleich zu dieser mit vielen Extras aufgebrezelten Version wirkt Michi Gaiggs Neueinspielung wesentlich organischer. Zwar holt Jacobs aus der Akademie für Alte Musik Berlin rnehr an Klangeffekten heraus als Gaigg aus dem L’Orfeo Barockorchester, doch bleibt zu fragen, ob diese Effekte bei Jacobs nicht manchmal etwas aufgesetzt wirken. Bei Gaigg überzeugen jedenfalls der natürliche Fluss der Arien und die runde Gestaltung der musikalischen Gesten. Vor allem aber hat sie mit Dorothee Mields (Orasia) und Markus Volpert (Orpheus) die besseren Protagoirsten, die mit weniger Vibrato und stimmlicher Wucht, dafür aber mit mehr Geschmeidigkeit und feinerer Affektgestaltung agieren als ihre Kollegen bei Jacobs. In den Nebenrollen ergibt sich ungefähr ein Patt, außer bei Ascalax, der hier mit derAltistin Julie Comparini deutlich besser besetzt ist als dort mit einem Kontratenor. Die Chöre werden hier solistisch aufgeführt, während Jacobs – historisch fragwürdig – einen großen Chor einsetzt. Fazit: Punkt, Satz und Sieg für Gaigg.
Fono Forum, Matthias Hengelbrock, Juni 2011Orpheus singt multilingual
[…] Lebendig, frisch und duftig in den lyrischen Passagen spielen Orchester und Dirigentin ihre Stärken aus. Unter den Sängern bestechen vor allem Ulrike Hofbauers Eurydice und Dorothee Mields, die als Königin Orasia Orpheus übel mitspielt, ihn (erfolglos) zur Liebe zwingen will und schließlich den Bacchantinnen zum Fraß vorwirft. Ein schöner Barockschatz, als gelungenes Geburtstagsgeschenk für ein famoses Originalklangensemble.
Die Bühne, Stefan Musil, Juni 2011Michi Gaigg und ihr L’Orfeo Barockorchester ernten für ihre neue Gesamtaufnahme dieser erst im späten 20. Jahrhundert wiederentdeckten Telemann Oper begeisterte Kritiken. Die Weltersteinspielung von 1998 stammt immerhin von René Jacobs mit der Akademie der Alten Musik Berlin. Ein Vergleich der beiden Aufnahmen ist ungeheuer interessant, im Detail gibt es viele kleine Unterschiede, aber vor allem die Klangauffassung ist grundverschieden. Das etwas raue, differenziertere, in vieler Hinsicht interessantere Klangbild bei Michi Gaigg steht dem volleren, sonoren Schönklang bei René Jacobs gegenüber. Die Sopranistin Dorothée Mields berührt und begeistert als Orasia in drei Sprachen und sämtlichen Gefühlsnuancen zwischen himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt.
Ö1 bis zwei – Radio Ö1 CD des Tages, Mirjam Jessa, 27. Mai 2011Direktheit
[…] Doch was ist das nun für ein Klang, der das L’Orfeo Barockorchester so unverwechselbar macht? Hört man die jüngste Aufnahme, Georg Philipp Telemanns „Orpheus-Oper“, dann fällt schon in den ersten Takten die direkte, beinahe etwas raue Tongebung auf, die das Geräuschhafte der Darmsaiten und der alten Blasinstrumente als schmückende Farbe im Gesamtklang versteht. Gleichzeitig ist alles frisch und geradeheraus formuliert, pointiert in der rhythmischen Gewichtung, ausgewogen in der Balance der Stimmen mit dem kräftigen Bass-Fundament, den transparenten Mittelstimmen und den warmen, nie oben herausstechenden Violinen.
Bei aller Leichtigkeit bleibt der Klang doch stets geerdet. Michi Gaigg, die hier – wie immer häufiger – die Geige gegen den Taktstock eingetauscht hat, scheint jede Musik von der tänzerischen Bewegung her zu denken. Auch im Laufe der Oper, dieser etwas anderen „Oprheus“-Geschichte, in der Orasia – wunderbar besetzt mit dem klaren Sopran von Dorothee Mields – aus Liebe zu Orpheus veranlasst, Euridice zu töten, erweist sich der Klang des Orchesters als überaus farbenreich, in der Großzügigkeit des französischen inspirierten Entrées zum zweiten Akt etwa oder in der explosiven Artikulation der Pluto-Szene […].
Neue Zürcher Zeitung, Jenny Berg, 6. Mai 2011Das klein besetzte L’Orfeo Barockorchester unter Michi Gaigg macht seinem Namensgeber alle Ehre und begleitet subtil, stilsicher und aufmerksam.
Telemanns „Orpheus“ ist kein repräsentatives Mammutwerk, wie man es beispielsweise von Händel gewohnt ist. Es ist eine intime Oper, die überwiegend leise, dafür aber umso intensivere Töne anschlägt. Das sorgfältig ausgewählte Sängerensemble erweist sich als echter Glücksgriff: Keine Schwächen, nur unterschiedliche Stärken werden deutlich. Eine absolut empfehlenswerte Einspielung!
Jan Ritterstaedt, NDR kultur, 4. März 2011Als René Jacobs 1998 die Weltersteinspielung von Orpheus oder Die wunderbare Beständigkeit der Liebe vorlegte, brach eine Lanze für Telemann als Opernkomponist und fixierte nebenbei die Messlatte für folgende Interpretationen in schier unerreichbarer Höhe. Nach 13 Jahren ist nun bei der deutschen harmonia mundi eine neue Gesamtaufnahme des 1726 komponierten Werkes erschienen, die Jacobs Einspielung auf Eigenhöhe begegnet, ohne sie direkt herauszufordern.
Präzise und natürlich musiziert, setzt sie nicht auf Stars, sondern ein bewährtes Ensemble frischer Stimmen. Für eine schillernde barocke Farbpalette ohne grelle Akzente sorgt das L’Orfeo Barockorchester.
hr2 kultur – Der CD-Tipp, Andreas Schubert, 23. März 2011Mit kraftvoll gravitätisch daherschreitenden Akkorden wird die Oper vom L’Orfeo Barockorchester in historischer Besetzung unter der Leitung von Michi Gaigg eröffnet. […] Vortrefflich werden die Gesangsnummern nicht nur begleitet, sondern als selbstständig illustrierender Orchestersatz pointiert herausgestellt. […] Eine gelungene, wohl ausgewogene Einspielung.
Das Opernglas, G. Schunk, 4/2011Dem Chor kann man wirklich beipflichten – Georg Philipp Telemanns Orpheus ist wie ein „angenehmer Aufenthalt. Für 2 Stunden führt die Barockoper den Hörer durch alle Höhen und Tiefen der Gefühle, was sie zu einem kurzweiligen Erlebnis macht – besonders wenn sie so eindringlich gespielt wird wie von Michi Gaigg und dem L’Orfeo Barockorchester. […] Gaigg geht auf die verschiedenen Stile ein, ohne sie hart gegeneinander abzusetzen. So entwickelt sie einen harmonischen Handlungsverlauf bei dem das Französische ins Deutsche und das Deutsche ins Italienische fließt. […] Johann Mattheson, der namhafte Musikschriftsteller aus dem 18. Jahrhundert, hat Telemanns Orpheus einst als „elenden Mischmasch“ bezeichnet. Aus heutiger Sicht ist das Urteil schwer nachzuvollziehen. Die neue Aufnahme zeigt, dass gerade die Vielfalt diese so reichhaltig macht. Aus den bekannten Vertonungen sticht sie dadurch heraus und ist eine wahre Alternative. Sowohl auf CD als auch auf der Bühne.
WDR3 TonArt, Christian Schnitzler, 23. März 2011